Skandalöse Liaison - Amanda Mariel - KAPITEL 1 Читать онлайн любовный роман

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Mariel Amanda

Skandalöse Liaison

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KAPITEL 1

London 1845



Ein lautes Krachen erfüllte in exakt dem Moment die Luft, in welchem der Boden der Kutsche unter Grace Strattons in Slippern steckenden Füßen erbebte. Die Kutsche schaukelte, schwankte von einer Seite zur anderen, während sie versuchte sitzen zu bleiben. Sie verstärkte ihren Griff um ihren Haustier-Tiger und blickte zu ihrer Begleitung, Eliza. Was zum Teufel passierte gerade?

Die Kutsche hielt abrupt an, betont durch Elizas schockierten Schrei. Das Mädchen richtete sich auf dem Sitz aus Leder und Samt auf, legte dann ihre Hand auf ihre Brust. »Erbarme dich meiner! Geht es Euch gut, Euer Gnaden?«

Sie hatte dem Mädchen dutzende Male gesagt, dass sie sich nicht in einer solch formellen Art und Weise an sie zu wenden brauchte. Jedes Mal, wenn Grace protestierte, widersprach Eliza, wies darauf hin, dass die Tochter eines Barons kein Recht darauf hatte eine Herzogin mit ihrem Taufnamen anzusprechen. Es spielte keine Rolle, dass sie Freunde geworden waren. Grace schenkte Eliza ein zittriges Lächeln. »Gut, danke.«

»Und Jasmine?« Eliza schaute auf die orange und schwarz gestreifte Katze, die sich an Grace schmuste.

»Ihr geht es auch gut. Nur ein bisschen erschrocken.« Grace streichelte mit ihrer Hand den Rücken der jungen Tigerin. »Was ist mit dir?«

Eliza schob eine lose Ringellocke feuerroten Haares aus ihren Augen. »Ich bin unverletzt.«

Die Kutschentür schwang auf, was Eliza dazu brachte noch einmal zu kreischen, während Grace bei diesem plötzlichen Eindringen ein Stückchen zusammenzuckte. Während sie sich zurücklehnte, nickte sie ihrem Kutscher zu. »Spannen Sie uns nicht auf die Folter.«

Der Kutscher faltete seine Hände vor seinem Bauch und zeigte ein entschiedenes Nicken. »Leider haben wir eine ziemlich tiefe Furche in der Straße getroffen und aufgrund dessen ist eine Achse gebrochen.«

Grace reichte Jasmine an Eliza. »Sei ein Schatz, ja?«

»Natürlich.« Eliza nahm den Tiger mit einem Schmunzeln an, setzte die Katze dann auf ihren Schoß.

»Ich werde mir den Schaden ansehen.« Der Kutscher half Grace herunter, führte sie dann um den hinteren Teil des Beförderungsmittels.

Grace stand hinter ihrer Kutsche und inspizierte die gebrochene Achse. Die Mittagssonne wärmte ihr Gesicht und ihre entblößten Schultern, während ein warmer Wind ihre Röcke um ihre Knöchel herumwehte. So herrlich der Tag auch war, die friedliche Umgebung tat nichts um ihre aufkommende Verstimmung zu beruhigen. Je länger sie das gespaltene Holz untersuchte, desto schneller schlug ihr Herz und raste ihr Verstand.

Sie massierte ihre Schläfe für einen Moment, bevor sie sich ihrem Kutscher zuwandte. »Was werden wir dagegen tun?«, fragte sie, betete dann, dass er eine gute Lösung hätte.

Eine, die sie nicht allzu lange aufhalten würde.

»Euer Gnaden, leider werden wir nach dem Kutschenbauer schicken müssen. Eine Achse ist nicht einfach zu reparieren.«

Sie ließ ihren Blick einmal mehr dem großen Spalt entlang folgen. Die letzte Sache, die sie sich wünschte, war eine Verzögerung ihrer Reise, aber sie vermutete, dass sich dies nicht verhindern ließ. Sie schloss ihre Augen und seufzte. Bitte lass sie es rechtzeitig zu Evangelines Taufe nach Schottland schaffen. Sofern das passieren würde, wäre alles gut.

Grace wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Kutscher. »Was schlagen Sie vor?«

»Ungefähr einen Kilometer die Straße herunter gibt es eine Herberge einer Poststation. Erlaubt mir die Pferde auszuhängen und Euch dorthin zu geleiten, damit Ihr dort warten könnt, während wir die Reparaturarbeiten arrangieren.«

Grace nickte. »Wie lange vermuten Sie wird es dauern meine Kutsche in Ordnung zu bringen?«

»Es tut mir leid, Euer Gnaden, aber ich weiß es nicht. Wenn es einen fähigen Kutschenbauer in der Gegend gibt, und er nicht beschäftigt ist, könntet Ihr am morgigen Tag bereit sein weiterzureisen. Andernfalls … Es tut mir leid, es gibt keinen Weg vorherzusagen, wie lange Ihr euch verspätet.«

Sie betätschelte ihren Chignon, glättete dann ihre verknitterten Röcke. Sie hatte London drei Tage früher verlassen, um zum Anwesen ihres Neffen zu reisen, dem Duke of Goldstone. Er und seine Ehefrau, ihre liebe Freundin Amelia, würden ihr Töchterchen in einer Woche taufen. Grace würde die Patentante des Säuglings sein und nichts würde sie daran hindern ihren Bestimmungsort zu erreichen—am allerwenigsten eine gebrochene Achse.

Grace straffte ihre Schultern, bereit das Kommando in dieser Situation zu übernehmen. »Na schön. Aber lassen Sie die Pferde für den Moment angespannt. Stattdessen borgen Sie zwei Pferde der Vorreiter und instruieren sie diese bei der Kutsche zu bleiben. Einstweilen werden Eliza und Jasmine ebenfalls bleiben.«

»Wie Ihr wünscht.« Der Kutscher zeigte eine Verbeugung, schlenderte dann um die Rückseite der Kutsche herum auf das Paar der Vorreiter zu, die dort warteten.

Grace wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Straße vor ihr und winkte einen ihrer anderen Vorreiter näher. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, als er näherkam.

»Euer Gnaden.« Der Mann stieg ab, verbeugte sich dann.

»Ich hätte gerne, dass Sie voraus zu dem Gästehaus reiten. Wenn Sie dort ankommen, machen sie eine Anfrage, um zu sehen, ob es einen örtlichen Kutschenbauer oder Mechaniker gibt. Falls ja, holen Sie ihn sofort her. Sagen Sie ihm, dass Sie die Duchess of Abernathy schickt. Das sollte helfen ihn zu überzeugen.«

»Sogleich, Euer Gnaden.« Der Vorreiter verbeugte sich einmal mehr, bevor er zu seinem Pferd zurückkehrte, um in Richtung des Gasthauses zu galoppieren.

Als sie zur Kutschentür zurückkehrte, spähte Grace hinein. »Eliza.«

Sie schaute Grace an, aber streichelte weiterhin Jasmine. »Ja, Euer Gnaden.«

»Die Kutsche muss repariert werden. Du sollst hier bleiben und dich um Jasmine kümmern. Ich lasse auch ein paar Vorreiter hier.«

Eliza nickte. »Wo geht Ihr hin?«

Grace lehnte sich gegen die Kutschentür. »Ich reite zum Gästehaus voraus. Sobald die Vorbereitungen getroffen sind, kehre ich zurück.« Grace konnte nicht sicher sein, dass alles in ihrem Sinne funktionieren würde, aber unabhängig davon würde sie zurückkommen, oder jemanden für Eliza, Jasmine und ihren Plunder schicken.

»Sehr wohl«, sagte Eliza.

Jasmine hob ihren Kopf und gähnte, zeigte dabei ihre beeindruckend großen Zähne, bevor sie sich wieder an Eliza lehnte.

Grace wandte sich von der Kutsche ab und seufzte, blickte in den klaren blauen Himmel. Zumindest war es ein angenehmer Tag um zu reiten—nicht eine Wolke in Sicht und eine nette Brise, damit es ihr angenehm blieb. So ein Pech, dass sie nicht ihr Reitkleid anziehen konnte. Es würde keine würdevolle Art und Weise geben in all ihren Röcken zu reiten. Nichtsdestotrotz würde sie damit auskommen.

Der Kutscher führte einen ihrer Hengste um die Kutsche herum, brachte ihn neben ihr zum Stehen. »Erlaubt mir Euch beim Aufsitzen zu helfen, Euer Gnaden.«

Sie wippte mit ihrem Kopf, raffte ihre Röcke hoch in einer Hand, stellte dann ihren mit einem Slipper bedeckten Fuß in seine wartende Hand, während sie den Sattel ergriff—etwas, dass sie nicht gehabt hätte, wenn sie die Kutschpferde genommen hätten. Sobald sie saß, tat Grace ihr Bestes, um ihre Röcke über ihren Beinen zu platzieren, wünschte sich die ganze Zeit über, dass sie Stiefel tragen würde.

Der Kutscher blickte sie an, sein Blick reumütig. »Ich entschuldige mich dafür keinen anständigen Damensattel zu haben, Euer Gnaden. Möchtet Ihr lieber hier bleiben, während ich vorausreite und die Vorbereitungen treffe?«

»Unsinn. Ich bin mehr als in der Lage im Herrensitz zu reiten. Was das die Dinge regeln betrifft, wäre ich gerne anwesend.« Sie nahm die Zügel auf und schob ihr Kinn vor. »Lasst uns uns beeilen.«

»Wie Ihr wünscht.« Der Kutscher stieg auf einen passenden Hengst, dann übernahm er mit drei der Vorreiter der Herzogin, welche sie flankierten, die Führung, versetzte sein Pferd in einen Trott.

Grace schluckte einen Protest über die langsame Geschwindigkeit herunter, wünschte sich sie könnte Hals über Kopf reiten, in voller Geschwindigkeit vorausgaloppieren. Gott sei’s geklagt, sie nahm nicht an, dass eine schnellere Geschwindigkeit auf lange Sicht irgendetwas Gutes ausrichten würde. Sie würde noch immer darauf warten müssen, dass ihre Kutsche repariert wurde, ungeachtet dessen, wie schnell sie das Gasthaus erreichte.

Resigniert entspannte Grace sich im Sattel und strebte an den Ritt zu genießen. Vogelgezwitscher schwebte durch die Luft und sie blickte auf die Bäume, welche die Straße säumten, in der Hoffnung, dass sie einen Blick auf einen erhaschen würde. Sie wurde bald belohnt, als ein Star von einem Baum zum Nächsten huschte, seine schwarzen Federn lila und grün glänzend, als die Sonnenstrahlen davon reflektiert wurden.

Grace lächelte, dachte, wie fabelhaft es wäre, wenn sie ebenfalls fliegen könnte. Ihr Rückschlag bei der Reise wäre sicherlich vorbei, denn sie könnte nach Schottland fliegen und würde zweifellos schneller ankommen, als sie es mit der Kutsche könnte. Sie schob den Gedanken aus ihrem Geist.

Tagträumerei würde sie nirgendwo hinbringen. Was sie brauchte waren reelle Lösungen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Straße vor ihr. Wenn ihre Kutsche nicht auf Anhieb repariert werden konnte, würde sie eine mieten, und falls das keine machbare Lösung wäre … würde sie eine Fahrt in einer Postkutsche buchen.

Nichts würde sie davon abhalten Schottland rechtzeitig für die Taufe ihrer Großnichte zu erreichen. Sie war immerhin eine Herzogin. Die Menschen würden sich überschlagen, um ihr behilflich zu sein. Grace entließ einen entspannenden Atemstoß. Alles würde gut werden.

Binnen kurzer Zeit kam ein zweistöckiges Gebäude mit Balkonen, die sich über die gesamte Länge dessen steinerner Außenseite zogen, in Sicht. Eine große halbkreisförmige Zufahrt, die von blühenden Büschen gesäumt wurde, schnitt einen Pfad durch das dichte Gras vor dem Gebäude und livrierte Diener wuselten hin und her.

Graces Beine zuckten vor dem Verlangen ihr Pferd mit dem Fuß in einen Galopp zu stoßen. Sie waren beinahe am Gästehaus und die Erwartung machte sie halb verrückt. Den Wunsch in Richtung ihres Ziels zu rasen bekämpfend, klebte Grace ein freundliches Lächeln auf ihr Gesicht und folgte weiter ihrem Kutscher.

Sie blinzelte, um das Schild, das über der breiten hölzernen Tür hing, zu lesen. The George Inn. Es musste ihr Glückstag sein, denn ihr war diese Herberge einer Poststation bekannt. Sie war nie darin verweilt, aber hatte viele ihrer Standesgenossen über die Einrichtung sprechen gehört. Das The George Inn war ein seriöser Ort, den die Oberschicht frequentierte. Sicherlich würde hier all ihren Bedürfnissen entsprochen werden.

Ein Stalljunge rannte in Richtung der Zufahrt, als Grace näherkam, hielt dann an, um mit vor ihm gefalteten Händen zu warten. Sie zog an den Zügeln, brachte ihr Pferd zum Stehen und lächelte auf den Burschen herunter, bevor sie ihren Blick in Richtung des Kutschers warf.

Der Kutscher stieg ab, kam näher, half dann Grace herunter. Sie nahm sich einen Moment, um ihre Röcke zu richten, bevor sie sprach. »Ich danke Ihnen. Ich werde etwas Tee trinken, während wir auf Neuigkeiten warten. In dem Augenblick, in dem Sie etwas erfahren, wünsche ich darüber Bescheid zu wissen.«

»Ja, Euer Gnaden.« Der Kutscher zeigte eine Verbeugung.

Grace fischte einen Schilling aus ihrem Pompadour und wandte sich dem Burschen zu. »Sieh zu, dass sich um meine Pferde gekümmert wird. Sie benötigen sogleich Futter und Wasser.«

Der Bursche zeigte ein breites Grinsen, als er die Münze von ihrer Handfläche nahm. »Ich werde auch zusehen, dass sie gebürstet werden.«

»Sehr gut.« Grace nickte, drehte sich dann, um auf den Eingang des Gasthauses zu zu spazieren. Sie benutzte ihre Hand, um ihre Augen vor der späten Nachmittagssonne zu beschatten, während sie einen Schritt nach dem anderen machte. Angesichts der späten Stunde sollte sie besser ein Zimmer reservieren und nach Eliza schicken. Sogar wenn jemand verfügbar wäre, um ihre Kutsche zu reparieren, hätten sie es nicht bis zum Einbruch der Nacht erledigt.

Einen Seufzer entlassend, begab sich Grace in das Gebäude. Solange sie am Morgen wieder unterwegs war, konnte sie die verlorene Zeit wiedergutmachen und planmäßig ankommen. Vorläufig würde sie sich um das Zimmer kümmern und die Vorbereitungen treffen Eliza und Jasmine holen zu lassen.

Nachdem sie ein Zimmer gebucht hatte, ging Grace in das Speisezimmer für Tee und ein leichtes Mahl. Sie würde ihre Männer schicken, um die anderen einzusammeln, sobald sie konnte. Schuld nagte an ihr, während sie an ihrer Porzellantasse nippte und an Gebäck und Käse knusperte. Sicherlich würde Eliza etwas Warmes zu trinken wollen. Sie hätte sie mitbringen sollen, anstatt sie bei der Kutsche zu lassen.

Mehr als eine Stunde war vergangen und Grace wartete noch immer auf Neuigkeiten. Nicht ein einziger ihrer Männer hatte sich gezeigt. Gerade als sie dachte, dass sie sich selbst vor Sorge verrückt machen würde, blickte sie sich im Speisezimmer um und wurde mit dem Anblick ihres näherkommenden Kutschers belohnt.

Er kam neben ihrem Tisch zum Stehen. »Euer Gnaden.«

Sie schluckte das Stück Käse, welches sie gekaut hatte, herunter und schenkte ihm ein Grinsen. Sein Mund war zu einer festen Linie gezogen und er warf seinen Blick für einen Moment auf den Boden, bevor er ihn zu ihr zurückkehren ließ.

Grace wappnete sich für unangenehme Neuigkeiten. »Liege ich korrekt mit der Annahme, dass mir nicht gefallen wird, was Sie mir zu sagen haben?«

Der Kutscher nickte. »Es tut mir leid, Euer Gnaden, aber es gibt keinen Kutschenbauer in der unmittelbaren Umgebung. Einer kann von einer benachbarten Stadt herübergeschickt werden. Jedoch kann er nicht vor dem übermorgigen Tag eintreffen.«

Grace entließ einen Atemstoß. »Und was ist damit eine Kutsche zu mieten?«

»Es sind keine verfügbar.« Die Schultern des Kutschers sackten zusammen. »Die einzige Option scheint zu sein auf die Reparatur der Ihren zu warten. Sollen wir nach dem Kutschenbauer schicken?«

Grace versteifte ihre Wirbelsäule. »Nein. Ich nehme die Postkutsche. Gehen Sie und finden Sie heraus, wann diese ankommt. Während Sie dabei sind, arrangieren Sie, dass Eliza und Jasmine, zusammen mit meinen Koffern, hierher gebracht werden.«

Die Augen des Kutschers wurden groß, während er sie anstarrte, Schock in die Linien seines Gesichts geätzt. »Das könnt Ihr nicht. Es wäre höchst unschicklich. Sogar mit—«

»Unsinn. Ich kann das und ich werde es. Nun gehen Sie und tun, um was ich Sie gebeten habe.« Grace winkte ihn weg. Sie hatte sich niemals einen Deut um Schicklichkeit geschert und würde jetzt verdammt nochmal nicht damit anfangen. Nichts würde sie davon abhalten ihre Verpflichtung gegenüber ihrem Neffen und Amelia zu erfüllen. Sicherlich nicht eine kaputte Kutschenachse. Sie war zäher als das gemacht.

Das Kratzen eines Stuhls zog ihre Aufmerksamkeit auf sich und Grace blickte hoch. Sie erstarrte, glaubte nicht ganz ihren Augen. Ein Gentleman—nicht nur irgendein Gentleman, sondern Lewis Duffield, genau der Mann, in den sie sich als junge Debütantin verliebt hatte—zog einen Stuhl an ihrem Tisch heraus und rutschte darauf.

»Euer Kutscher liegt richtig«, sagte er, sein Tonfall kühl.

Graces Puls beschleunigte sich, während sich die Luft in ihren Lungen verfing. Sie war nicht bereit ihm entgegenzutreten. Noch nicht. Natürlich hatte sie gewusst, dass Amelias Onkel bei der Taufe sein würde, aber sie hatte angenommen, dass er direkt nach Schottland segeln würde. Dass sie Tage hätte sich darauf vorzubereiten, bevor sie ihm begegnete. Was zum Teufel machte er hier? In England?

Sie sammelte sich und lächelte. »Sie sind die letzte Person, von der ich erwartet hatte, dass ich ihr in die Arme laufe.«

»Es ist einige Zeit her, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben.« Lewis erwiderte ihr Lächeln.

»Amelia hat mir gesagt, dass Sie in Schottland sein würden.« Grace streifte eine Locke von ihrer plötzlich warmen Wange. »Was machen Sie in England?«

»Ich hatte Geschäfte in London, um welche ich mich kümmern musste.« Er entspannte sich im Stuhl, seine grünen Augen auf Grace gerichtet. »Ich bin jetzt auf dem Weg zu Amelia. Ich habe nur angehalten, um mein Fasten zu brechen.«

War sie verrückt zu denken, dass er ihr helfen könnte? Möglicherweise, aber gleichwohl lächelte sie. »Dann beabsichtigen Sie heute Abend weiterzureisen?«

Er glättete sein Jackett. »Gewiss. Und Ihr werdet mich begleiten.«

Graces Herz flatterte, alte Gefühle kamen wieder zum Vorschein. Als sie Lewis zum letzten Mal gesehen hatte, hatte sie gehofft ihre vergangene Beziehung wieder entzünden zu können. Es hat jedoch nicht sollen sein und sie blieb zurück und fragte sich, ob er sich ursprünglich jemals wahrlich etwas aus ihr gemacht hatte. Konnte ihr Herz es überstehen mit ihm in einem engen Quartier gefangen zu sein, wenn sie kaum den Nachmittagstee überstand?

Warum verschwendete sie Zeit damit über ihre Gefühle nachzusinnen? Sie bekam, was sie sich gewünscht hatte—eine Mitfahrgelegenheit zu Amelia.

Sie atmete aus, zwang sich selbst dazu sich zu entspannen. Sie konnte es sich kaum erlauben wählerisch zu sein und ihre anderen Optionen hielten sie alle für eine unsägliche Menge Zeit auf. Er hatte eine Kutsche, die zum gleichen Ziel fuhr wie sie. Ob sie mit ihm reiste oder nicht, sie müsste Zeit mit ihm verbringen, sobald sie Schottland erreichten. Außerdem waren sie beide reife Erwachsene.

Sie atmete beruhigend ein, griff dann nach einem Stück Käse, tat ihr Bestes sich nonchalant zu geben. »Ich danke Ihnen, Mr. Duffield.«

Er zog seine dunklen Brauen zusammen. »Ich bin für Euch immer Lewis gewesen. Lasst uns diese Dinge jetzt nicht ändern.«

Ein breites Grinsen zog an Graces Lippen. »Sehr wohl, Lewis. Lassen Sie mich gehen und meine Diener informieren. Ich werde Sie wenig später draußen treffen.«

»Sehr gut, ich werde auf Euch warten.« Lewis stand auf, nahm dann mit einem Nicken Abschied.

Graces Herz stockte bei seinen Worten. Auf die gleiche Art und Weise, wie er auf sie vor all diesen Jahren gewartet hatte, als sie ihn abweisen musste. Hatte sein Herz sich seither nach ihr gesehnt? Hat er darum nie geheiratet? Eine Welle der Schuld krachte auf sie ein.

Vielleicht, nur vielleicht, war dies ihre Chance Wiedergutmachung zu leisten, zu heilen, was sie in ihnen beiden zerbrochen hatte, auch wenn sie und Lewis nie sein sollen.

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