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Mariel AmandaVom Grafen Verzaubert
KAPITEL 3Roses Blut verwandelte sich zu Eis, gefror in ihren Adern. Sie blinzelte Mr. Wolfe an, als er gemütlich ihren Fußweg entlangging. Warum war er wieder hier? Ihr Grauen stieg mit jeder Stufe an, die er erklomm. Er war sicherlich zurückgekehrt, um abermals ihre Hand zu verlangen. Sie würde ihn niemals heiraten, um keinem Preis. »Schau nicht so abgeschreckt drein, meine entzückende Blüte.« Ein lüsternes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er vor ihr anhielt. Sie drückte ihre zitternden Hände in die Falten ihrer Robe. Es ginge nicht an, dass er sah, wie eingeschüchtert sie von seiner Anwesenheit war. »Dein schicker Lord hat heute Nachmittag versucht das Cottage zu erstehen, aber sei ohne Furcht. Ich habe ihn abblitzen lassen.« Obwohl ihr Herz wie eine Herde Pferde hämmerte, behielt sie ihre Augen fixiert auf Mr. Wolfes. Schicker Lord? Er muss Lord Aubry meinen, aber warum würde Lord Aubry ihr Cottage wollen? »Sie hätten verkaufen sollen. Ich werde Sie niemals heiraten.« Sie starrte ihn wütend an, ihre Hände auf ihren Hüften. Wolfe fuhr federleicht mit seinen Fingerspitzen über ihre Wange. »Sag niemals nie, Liebling.« Ein Schauder durchlief sie und sie trat einen Schritt zurück. »Bitte behalten Sie Ihre Hände bei sich, Mr. Wolfe.« Seine Augen verdunkelten sich und ein finsterer Blick ätzte tiefe Linien in sein Gesicht. »Das ist keine Art und Weise mit deinem Verlobten zu sprechen.« Er lehnte sich zu ihr hin. »Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden.« Roses Puls beschleunigte sich. Das war keine leere Drohung. Er hatte bereits bewiesen, wie weit er bereit war zu gehen. Es musste einen Weg geben, um ihn nicht zu heiraten. Sie ballte ihre Hände an ihren Seiten zu Fäusten. »Wie haben Sie es geschafft?« Das bösartige Lächeln, das er ihr zeigte, kühlte sie bis zum Mark aus. Sie trat zurück und schnappte ihren Schal an der rauen Holzverkleidung des Cottages. »Was geschafft, meine Liebste?« Er trat näher zu ihr hin, ließ sie sich fühlen wie ein Kaninchen, dass in einer Schlinge gefangen war. »Wie haben Sie es scheinen lassen, als ob meine Grundschuld nicht bezahlt sei?« Er lehnte sich sehr nah zu ihr hin, brachte seine Hand neben ihrem Kopf am Haus zum Liegen. Der Geruch eines ungewaschenen Körpers kombiniert mit seinem faulen Atem waberte herauf und brannte in ihrer Nase. »Das ist nicht von Bedeutung. Was getan ist, ist getan und soll derart bleiben. Wenn wir heiraten, werde ich dir das Cottage als Hochzeitsgeschenk zurückgeben.« Sie wirbelte weg, bevor sie einige Schritte über die Veranda machte. »Sie können mein Zuhause verkaufen, es ist mir egal. Nehmen Sie alles, was ich habe und Sie werden mich dennoch nicht bekommen. Ich werde niemals Ihre Ehefrau sein.« »Das werden wir sehen.« Seine letzten Worte hingen in der Luft, als er die Stufen herunter stampfte. Rose sackte am Haus zusammen, während sie ihn beobachtete, wie er auf seinem Pferd davongaloppierte. Was sollte sie nur tun? Sie konnte ihn nicht heiraten. Ein Kloß formte sich in ihrer Kehle. Wie konnte ihr Vater sie einem solch abscheulichen Teufel versprechen? Sie hob eine zur Faust geballte Hand an ihren Mund und zwang die Tränen zurück. Bekümmert zu sein würde die Situation nur noch schlimmer machen. Es musste einen Weg geben den Wahnsinn zu beenden. Sie straffte ihre Schultern, betrat das Cottage und machte sich auf den Weg in die Küche. Der süße Geruch frischgebackener Törtchen beruhigte sie ebenso sehr wie der Anblick von Gran, die sich über einen Teigball beugte. »Dein Zuckerwerk riecht himmlisch.« Sie erzwang ein kleines Lächeln. Es würde nichts bringen Gran von ihrer Konfrontation mit Wolfe zu erzählen. Das Wissen würde nur dafür sorgen, dass die liebe alte Frau sich sorgte. Grans Rock raschelte an ihrer gestärkten Schürze, während sie eine goldbraune und rote Torte zum Tisch trug. »Sie sind für die Devontons, aber ein Fehlendes wird nicht auffallen.« Sie legte ein heißes Gebäck vor Rose. »Wärst du ein Schatz und würdest sie für mich abliefern? Sie werden im Nu fertig sein.« Rose nickte. Sie nahm einen Bissen, aber ihr verstimmter Magen weigerte sich sie ihren Leckerbissen genießen zu lassen. Ihr Bauch verkrampfte sich, während sie das köstliche Konfekt wieder auf den Teller legte. »Stimmt etwas nicht?« Gran studierte Rose durch warme haselnussbraune Augen, ihre Brille rutschte ihre Nasenwurzel herunter. Verflixt sei ihre Unfähigkeit ihre Emotionen vor Gran zu verbergen. »Es ist nichts, wirklich. Bitte mach kein Aufhebens.« Sie griff wieder nach dem Törtchen. Wie spatzenhirnig von ihr zu denken, dass sie Zeit in Grans Gesellschaft verbringen konnte, ohne dass die Frau ihre Verstimmung bemerkte. Gran ließ ihre warme faltige Hand über Roses ruhen. »Ich werde nicht drängen, aber ich kann nicht anders als mich zu sorgen. Ich habe gesehen, wie Mr. Wolfe seinen Abschied nahm. Du bist mir sehr lieb und ich weiß, was er dir antut.« Sie drückte ihre Hand behutsam. »Wenn nur –« Rose ließ das Gebäck zurück auf den Teller fallen. »Es hat keinen Nutzen, Gran. Wir können die Vergangenheit ebenso wenig verändern wie wir die Jahreszeiten kontrollieren können.« Sie hatte sich das selbst mindestens hundertmal gesagt, aber wenig Trost in ihren Worten gefunden. Es würde nichts bringen sich auf die Vergangenheit zu konzentrieren, wenn es ihre Zukunft war, die ausgebessert werden musste. Gran bewege sich zurück zur Arbeitsplatte. »Alles wird sich einspielen, auf die eine oder andere Weise. Das muss es.« »Ich glaube das auch, Gran.« Rose zwickte sich in den Nasenrücken und schaute aus dem Küchenfenster. Welch andere Wahl hatte sie denn? Rose klopfte an die Tür der Devontons und schob ihr Kümmernis in ihren Hinterkopf. Sie hätte später genug Zeit ihre Situation zu bedenken. Einstweilen wünschte sie die Gesellschaft alter Freunde zu genießen. Die Devontons waren ein Teil ihres Lebens, seitdem sie sich erinnern konnte. Sie waren enge Freunde ihrer Großmutter ebenso wie langjährige Nachbarn. Nachdem sie ans Haus gebunden waren, hatte Gran es auf sich genommen nach ihnen zu sehen. Rose übernahm gerne die Aufgabe das Essen zu überbringen und Besorgungen für sie zu machen. Die Tür öffnete sich ächzend. Mr. Devonton trat zur Seite, ein warmes Lächeln erleuchtete sein verwittertes Gesicht. Er lehnte sich mit einer Hand gegen die Wand. »Komm herein, Liebes.« Sie grinste ihn ebenfalls an, während sie ihren Korb hob. »Gran hat mich geschickt, um etwas Obst und Törtchen zu bringen.« »Welch angenehme Überraschung.« Sein Lächeln wurde breiter. »Komm doch herein.« Rose trat in die altmodisch hübschen Räumlichkeiten, wobei der Korb an ihrem Arm baumelte. Sie nickte Mrs. Devonton zu. Mr. Devonton schloss die Tür hinter ihr. Als er sich zurückdrehte, wackelte er auf seinen Füßen. Sie ergriff ihn, bevor er fiel. »Erlauben Sie.« Er schlang seinen Arm um sie, während sie ihn zu dem abgenutzten Sofa führte, wo Mrs. Devonton saß. Ihre schwindende Gesundheit brach Rose jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, ein bisschen mehr ihr Herz. Sie waren nicht mehr als Hüllen der Menschen, die einst mit ihr im Hof umher tanzten. Ein Stöhnen rasselte aus Mr. Devonton, als er sich auf das Sofa senkte. Mrs. Devonton bot ein warmes Lächeln. »Deine Gran ist die beste Bäckerin in London. Es ist immer eine angenehme Überraschung, wenn sie uns etwas ihrer Kost schickt.« »Ich werde sichergehen, dass ich ihr erzähle, dass Sie das gesagt haben.« Rose begann den Korb zu entladen. Manche ihrer schönsten Erinnerungen beinhalteten das betagte Paar. Sie hatte Stunden mit ihnen verbracht, wenn Gran sie besucht hatte. Sie würde Gran und Mrs. Devonton mit der Hausarbeit oder Nähen helfen. Danach würde Mr. Devonton sie mit fantasiereichen Geschichten erfreuen. »Ach, wenn ich ein bisschen jünger wäre, würde ich hinüberschleichen und mir selbst zu den Leckerbissen deiner Gran verhelfen.« Mr. Devonton gluckste. »Setz dich und plaudere für eine Weile mit uns.« »Das würde ich sehr gerne. Lassen Sie mich diese nur erst wegräumen.« Rose nahm das Tablett mit den Obsttörtchen und bewegte sich auf das Schränkchen zu. »Du bist sehr süß, Liebes.« Mrs. Devonton schob sich in eine stehende Haltung. »Erlaube mir dir zu helfen.« »Das ist nicht notwendig. Es wird nur einen Moment benötigen.« Rose streifte an der Arbeitsplatte, als sie sich wieder ihrer Aufgabe zuwandte, und schlug das Tablett mit den Törtchen auf den Boden. »Du liebe Zeit. Setzen Sie sich wieder, während ich das sauber mache.« Sie bückte sich, um das eigensinnige Tablett aufzuheben, bevor sie die Zuckerware auf seiner kühlen Oberfläche stapelte. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe sie alle ruiniert.« »Reg dich deswegen nicht auf, Liebes. Nichts ist ruiniert.« Mr. Devontons Stimme erfüllte die Räumlichkeiten. »Sie sind noch essbar. Sammle sie einfach auf dem Tablett. Ein bisschen Hausstaub hat noch niemandem wehgetan.« Eine Welle des Schocks ging durch Rose hindurch. Sie würde es nicht in Betracht ziehen Nahrung zu essen, die auf dem Boden gelandet war. Gleichwohl tat sie, wie er wünschte und sammelte die Leckerbissen wieder auf dem Tablett. »Hättest du gerne ein bisschen Tee?«, fragte Mrs. Devonton, als Rose hochblickte. »Ich kann ihn zubereiten, während du die Törtchen wieder hinstellst.« »Dafür gibt es keinen Bedarf. Ich bin fertig.« Sie stellte das Tablett auf die Arbeitsfläche. Sie wandte sich dem Paar zu und öffnete ihren purpurnen Umhang und hängte ihn an einen Haken nahe der Tür. Die neueste Auseinandersetzung mit Wolfe raste durch ihren Verstand, während sie Tee zubereitete. Und täusche dich nicht, wir werden verheiratet werden. Ein Schauer durchlief sie. Sie würde eher sterben, als dass sie jemals zustimmte den niederträchtigen Mann zu heiraten. »Du scheinst abgelenkt, Liebes. Halten wir dich von etwas ab?« Mr. Devonton tauschte einen Blick mit seiner Frau aus. »Es würde nichts bringen zu leugnen, dass ich ein bisschen abgelenkt bin. Gleichwohl gibt es keine dringende Angelegenheit, die meine Aufmerksamkeit benötigt.« Sie hatte nie zuvor eine größere Lüge erzählt. Sie musste nach Hause, so dass sie einen Weg finden konnte, um Wolfe zu vertreiben. »Bitte hab nicht das Gefühl, dass du uns Gesellschaft leisten musst. Wir verstehen, dass du andere Verpflichtungen hast.« Mrs. Devonton lächelte, aber ihre grauen Augen schienen traurig. »Unsinn. Sie sind am weitesten davon entfernt eine Pflicht zu sein. Ich betrachte Sie beide als Familie und genieße unsere Plaudereien. Es gibt keinen Grund, dass ich so früh gehe.« Sie meinte jedes Wort ernst, aber gleichwohl fühlte sich Rose heute nicht wie eine gute Gesellschaft. Ihr Magen verspannte sich. Eventuell hätte Mr. Devonton eine Lösung. Sie blickte ihn an, wie er neben seiner Frau saß, sein Rücken leicht buckelig. Nein. Sie würde sie nicht beunruhigen. Rose schloss für einen Moment ihre Augen, verjagte die Gedanken an Dewitt Wolfe, bevor sie das Teetablett zur Sitzecke trug. Nachdem sie ihren Tee genossen hatte, machte sie ihren Mantel fest, hob schwungvoll den leeren Korb auf und nahm Abschied. Die Unterhaltung mit den Devontons erwies sich genau als das, was sie brauchte. Sie schaffte es ihr Kümmernis für eine kurze Weile zu vergessen, aber die Zeit für sie war gekommen, um nach Hause zurückzukehren. Sie musste zur Realität zurückkehren – zurück zu Wolfes Drohungen. Wenn sie nur eine Missetat von seiner Seite beweisen könnte. Sie trat nach einem Stein, als sie den bewaldeten Pfad betrat. Er hatte etwas Ungehöriges getan, um ihren Besitz zu erlangen, daran hatte sie keinen Zweifel. Gewiss mussten seine Handlungen kriminell gewesen sein. Wenn sie einen Beweis finden könnte, würde er vielleicht im Newgate Gefängnis enden. Sie erinnerte sich an die Geschichte eines Juwelendiebs, die Mr. Devonton einst mit ihr geteilt hatte. Wenn nur … Sie schüttelte ihren Kopf, schob den törichten Gedanken beiseite. 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